Es war einmal ein Kardinal namens Albrecht, der baute sich an der Saale eine schöne Residenz. Aber einige Jahre später wurde er von den hier ansässigen Protestanten aus Halle vertrieben, denn sie wollten seine Schulden nicht länger bezahlen.
Im Lauf der Geschichte ereilte die Neue Residenz ein sehr wechselvolles Schicksal. Sie wurde bis zur Unkenntlichkeit umgebaut und abgebaut und erfuhr eine überaus abwechslungsreiche Nutzung im Rahmen unserer halleschen Universitätsgeschichte. Sie beherbergte ein anatomisches Theater mit Präparierraum, eine Mineraliensammlung, eine Entbindungsanstalt mit Hebammenschule und verschiedene Museen. Während der DDR-Zeit befand sich in den Räumlichkeiten die geographische Fakultät, bis das verfallende Gemäuer im Jahr 2003 seinem Schicksal überlassen wurde. Eine Schar Enthusiasten gründete flugs einen Verein und versucht nun mit bescheidenen Mitteln und Kräften die einstige Nobelherberge des Geistlichen wieder zu beleben und nach und nach zu sanieren.
Eines ist der Residenz jedoch geblieben: ein 1500qm grosser Innenhof, eingeschlossen von bröckelnden Mauern. So erinnert die Szenerie ein wenig an ein verwunschenes Dornröschenschloss. Aber Halles kluge Stadtväter hatten eine viel bessere Idee als im Märchen. Wozu hat eine Stadt denn schliesslich berühmte Söhne? Und selbstverständlich ist auch meine Heimatstadt mit einer solchen Persönlichkeit gesegnet. In unserem Fall wurde der allerorts bekannte Komponist Georg Friedrich Händel hier geboren und (da Halle zu diesem Zeitpunkt noch recht kleinflächig war) darf man reinen Herzens behaupten: in unmittelbarer Nähe der besagten Residenz. Vermutlich ist er als Kind sogar die knappe Viertelstunde dorthin spaziert, um...was auch immer dort zu tun. Und schon hatte man sich an einem Thema festgebissen: Händel und seine Zeit sprich: Barock.
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Georg Friedrich Händel 1685 - 1759 |
In den vergangenen Jahren hatte ich aufgrund intensiver Arbeitstätigkeit keine Gelegenheit und manchmal auch echt keine Lust, extra in die Stadt hinein zu fahren, um mir das gepriesene Gartenidyll anzuschauen.
Aber in diesem Jahr liess ich mir die Chance nicht entgehen und um auch einen kulturellen Beitrag zur Erziehung meiner Enkeltochter Karina leisten zu können, legte ich die Besichtigung in ihre Ferienbesuchswoche. An einem herrlichen Sommertag machten wir uns auf den Weg. Durch ein kleines Gittertor betraten wir den Garten der Lüste, denn das war das angesagte Thema in diesem Jahr:
Lustgarten - Gartenlust: Der höfische Lustgarten
Voller Erwartung betraten wir das erhoffte Paradies. Es empfing uns mit einem Farbenspiel in royalblau, grau, beige und gold. Insbesondere die erste Farbvariante ist kulturhistorisch wohl nicht so ganz einwandfrei, aber auch beim Theater gibt es ja heutzutage moderne Fassungen. Ergänzt wurde diese Farbpalette durch das kräftige Grün der Bäume und des mauerrankenden Efeus, sowie des Kunstrasens, mit welchem der komplette Innenhof ausgelegt worden war.
Die Neugier war auf unserer Seite und so erkundeten wir nach und nach jeden Teil des Gartens. Karina entdeckte im Fernglas ein Kaleidoskop und ich versuchte mit einem überdimensionalen Geduldspiel einigen Schlangen ihre Kugel in die angedeutete Höhle zu rollern.
Einige Installationen jedoch erschlossen sich einem Kunstbanausen wie mir nicht in ihrer tiefsinnigen Bedeutung, vielleicht hatten sie auch einfach keine. Auf jeden Fall waren sie hübsch farblich passend angepinselt.
Mittig war eine grössere Bühne für Konzerte aufgebaut. Während unseres Aufenthalts spielte allerdings nur ein unsichtbares Orchester, welches sich in einem grauen Kasten von Lautsprecherformat versteckt hatte. Selbstverständlich: Musik von Händel.
Der Garten war auch zur Mittagszeit gut besucht. Einige Kinder zerlegten gerade die goldfarbenen Reifen der Wurfspiele. Die anbei sitzenden Mütter schien das nichts anzugehen, vermutlich genossen die lieben Kleinen eine antiautoritäre Erziehung.
Wir schwangen auf filigranen Schaukeln und meine Befürchtung, ich würde mit meinem strammen Erscheinungsbild die Konstruktion überfordern, erwies sich als haltlos.
Beseelt von so vielen Eindrücken schritten wir durch das blau-gold-grüne Paradies. In grossen Blumentöpfen blühten farblich passende Pflanzen um die Wette. Links und rechts des Weges lange, blumengefüllte Kunststoffkästen (oder wie der Hallenser sagt: Plastenäppe), denen eine barocke Ummantelung sicherlich auch gut getan hätte.
Als eine besondere Attraktion waren uns im Vorfeld Vogelkäfige angekündigt worden, in denen man Metallvögel mechanisch bewegen konnte. Leider drehte sich bei unseren Versuchen kein einziger Piepmatz. Wir erfuhren, das sich dieses Spiel schon in der Eröffnungswoche erledigt hatte, einige Besucher hätten zu arg gedreht.
Hmh! Es waren etwa zehn Käfige aufgestellt und alle kaputt. Da sollte man eher die Konstruktion hinsichtlich eines Fehlers überprüfen...
Nett, aber kaputt !! |
Die prunkvolle barocke Bank und ??? |
Wir erwarben an einem geöffneten Fenster einen Eisbecher für Karina. Zwecks Kaffee musste ich mich in die Innenräume begeben. Dort erwarte mich ein Trio emsiger Frauen. Ich bestellte eine Tasse des Türkentranks und gönnte mir ein Stück unserer berühmten Händeltorte (Sahnetorte mit Mohn und Marzipan).
Die Damen vom Café hatten dann folgende Arbeitsteilung. Eine befüllte eine Tasse und wies auf Sahne und Zucker zur Selbstbedienung. Eine balancierte ein Stück vom Händel auf einen Teller und die Dritte rechnete mittels Zettel und Stift meinen Einkauf zusammen. Wir kamen beide auf den Betrag von 3,80€. Es beruhigte mich sehr, dass es bei mir mit dem Kopfrechnen noch klappte.
Dann zog ich mich mit Karina in unser reserviertes Eckchen zurück und genoss 326 geballte Kilokalorien auf einem kleinen Teller. Zuvor hatte ich den überfüllten, höchst barocken Aschenbecher vom Tisch geräumt.
Den grössten Spass an diesem Tag bereitete uns jedoch das Spiegelkabinett. Wir waren mal dünn und mal ganz dick, klein und gross. Ich konnte mich schon mal betrachten, wie ich in drei Jahren aussehen würde - falls ich meine sportlichen Aktivitäten durchhalten würde.
Insgesamt hat es uns gefallen und ich würde dem Garten im nächsten Jahr wieder einen Besuch abstatten. Ich würde ihn auch weiterempfehlen oder Gäste mitnehmen.
Es war viel Ideenreichtum und Spass an der Gestaltung zu spüren, aber manchmal erinnerte es mich auch nur an eine Bastelanleitung aus einer mittelmässigen Do-it-yourself-Zeitschrift. Geld ist überall knapp, aber einiges hätte ich dann lieber weggelassen, anstatt billige Baumarktmaterialien sichtbar zweckentfremdet zu verarbeiten.
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Na, Du kannst was erleben! Es war eben nicht alles schlecht, aber Manches wird gut oder auch nicht. Wir haben die Gärten der Welt, auch sehr sehenswert. Danke für den Erlebnisbericht. Liebe Grüße, Sabine
AntwortenLöschenDanke für den netten Bericht. Er liest sich gut, man hat das Gefühl, daß man selbst dabei war. Liebe Grüße Hannelore
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